Straßburg, 21. August 2016

Das Straßburger Münster ist eines der erstaunlichsten Gebäude der Welt: das ganze Mittelalter wurde an ihm gebaut, und es blieb doch unvollendet. Ein zweiter Turm fehlt. Aber gerade deshalb wirkt es wie ein großer Zeigefinger in Richtung Himmel.

Auf dem Domplatz stehen Soldatinnen und Soldaten mit Maschinengewehr. Wir nehmen an, dass sie kampfbereit sind. Unser Freund, selbst früher Soldat, hofft, dass niemand von ihnen die Nervern verliert. Als ich meine Kameratasche oben auf der Aussichtsterrasse ablege, um meinen Rücken etwas zu entlasten, erschrickt ein Wachmann. Dann grüßt er mich freundlich. Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Gerade in Frankreich, dem Land eines Voltaire, wird ein religiöses Symbol zur Kampfzone. Das hätte sich der alte Philosoph wohl nicht träumen lassen. Die Aufklärung hat dazu geführt, dass die meisten Menschen Europas zwar massenhaft ein solches Wunder europäischer Kultur bestaunen, aber kaum etwas verstehen und größtenteils den Glauben verloren haben, in dem es gebaut wurde. Andererseits würden sich die meisten von ihnen sich als Mitglied der christlichen Kultur gegenüber dem Islam abgrenzen. Die Islamisten wollen reaktionär das arabische Mittelalter wieder einführen. Kultur, ob afghanische Buddha-Staturen oder christliche Kirchen, ist ein Ziel ihres Zerstörungstriebes. Damit stellen sie eine bisher für gültig gehaltene Idee in Fragen: dass ein Kunstwerk wie das Straßburger Münster die Vergänglichkeit des Menschen überwindet und etwas von göttlicher Ewigkeit einfängt. Von heute auf morgen kann eine Bombe explodieren. Doch wir sollten nicht zu pessimistisch sein. Immerhin hat das Straßburger Münster schon bald 800 Jahre überstanden.

Der Turm des Straßburger Münsters zeigt wie ein großer Finger nach oben, also in den Himmel. Die astronomische Uhr im Münster berechnet mit einem kunstvoll ausgeklügelten Räderwerk die Zeit, von der Minute bis zum Gang der Gestirne. Kultur richtet den Blick in größere, den Menschen übersteigende Dimensionen – und das tut alle Kultur, auch eine arabische Moschee. Dies können nur Dummköpfe wie Islamisten oder andere – auch christliche – Fundamentalisten übersehen.