Zu Kyle Harpers Buch Fatum
Manchmal geschieht es, dass es einem Buch gelingt, neue Perspektiven zu eröffnen, es zugleich spannend zu lesen und dennoch wissenschaftlich fundiert ist. Dazu gehört zweifellos Kyle Harpers „Fatum. Das Klima und der Untergang des römischen Reiches“. Schon dass es einen weißen Fleck der Geschichte erschließt, nämlich die Endzeit des römischen Reiches (bis ca. 700 n.Chr.), macht es lesenswert.
Dieses halbe Jahrtausend war geprägt durch eine erstaunliche „Globalisierung“. Der Handel reichte schon damals bis nach China. Das römische Reich erstreckte sich von Britannien bis nach Ägypten. Es gab einen einheitlichen Rechtsraum und ein allgemein gültiges Steuersystem. Allerdings verschoben sich die Machtzentren. Rom verlor seine Bedeutung. Konstantinopel wurde die neue Hauptstadt. Doch es gab auch weitere wichtige Städte, wie z.B. Alexandria in Ägypten.
Kyle beschreibt Geschichte nicht allein als von Menschen gemachte Geschichte. Vielmehr zeigt er, dass das eigentliche „Fatum“ die Natur war. Damals nämlich wurde das römische Klimaoptimum abgelöst von der kleinen Eiszeit, die ab ca. 400 n.Chr. auftrat und bis ins Mittelalter reichte. Kyle zeigt, dass das römische Klimaoptimum erst den Wohlstand im römischen Reich ermöglichte, und dass die kleine Eiszeit zu den Angriffen der Hunnen führte, die wiederum die Völkerwanderung der Goten auslöste, dass es aufgrund des geänderten Klimas nun gefährliche Einbrüche bei den Ernten gab, der Staat deshalb Einnahmenausfälle hatte und schließlich nicht mehr seine hohen Militärausgaben begleichen konnte. Rom wurde dadurch so geschwächt, dass seine über ganz Europa herrschende Kultur unterging.
Kyle erzählt nicht nur eine Geschichte des Klimawandels, sondern auch der Epidemien, die Rom heimsuchten: die Antoninische Pest (um 165), die Cyprianische Pest (249-62) und die Justinianische Pest (541-749). Die Ausbreitung dieser Seuchen wurde durch den globalen Handel begünstigt. Die Justinianische Pest führte schließlich zu einer Halbierung der Bevölkerung. Der Handel erlahmte und die Zivilisation fiel zurück auf einen Zustand, wie er vor dem römische Reich herrschte. Neue Religionen, zuerst das Christentum, dann der Islam, verdanken ihren Erfolg diesem Untergang der alten römischen Welt.
Kyle benutzt als Quellen nicht nur menschliche Hinterlassenschaften, also Berichte, Briefe, archäologische Ausgrabungen, sondern wendet sich auch an die natürlichen Archive, die Auskunft über das Klima oder bei DNA-Untersuchungen z.B. über die Krankheiten geben. Diese Methode führt zu einer wichtigen Erweiterung unseres Wissens.
Das Buch erscheint zum richtigen Zeitpunkt. Auch wir stecken in einer Pandemie und in einem Klimawandel. Gewiss wäre es falsch, direkte Parallelen zu ziehen und den Untergang des römischen Reichen als Modell für den möglichen Untergang unserer globalisierten Weltordnung zu nehmen. Aber lernen kann man aus Geschichte allemal.
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