Regensburg, 21. Oktober 2016
Eröffnung des bayerischen LandesJazzFestivals: Beim Konzert im „Leeren Beutel“, einem spätmittelalterlichen Getreidespeicher mit dicken Mauern und stabilem Holzgebälk, erstaunt mich, wie gut Jazz hier hineinpasst. Keine verrauchte Gaststätte, nein, ein historischer Konzertsaal, keine Revolution gegen das Establishment mehr, was Jazz einmal in meiner Jugend war, sondern Teil der Geschichte und der zu schützenden Kulturformen.
Hier überlebt, so scheint es, die Jugend der 60er Jahre, die grau geworden ist. Damals galten improvisierte Musik, Negerrhythmen, wie die Konservativen abschlägig sagten, Bluenotes und andere Irregularitäten schon als Ausbruch aus der Klassik und dem vom II. Weltkrieg geschundenen Europa.
Ist Jazz also heute Geschichte? frage ich mich. Jazz wird jetzt an Hochschulen gelehrt und studiert. Virtuosität und Perfektion stehen nun im Vordergrund – genauso wie in der Klassik. Nur dass die Interpreten freier sind und kreativer sein dürfen. Doch daraus kann ganz Wunderbares entstehen: die junge Band LBT mit dem hoch virtuosen Pianisten Leo Betzl, dem mit seinem Kontrabass oft tanzenden Maximilian Hirning und dem sehr impressionistisch und unendliche ideenreich spielenden Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber brachte es fertig, Jazz in unsere Zeit zu holen. Da klingt Hip-Hop und Electro-Sound hinein und vermischt sich mit klassischen Klavierklängen und der musikalische Fluss wird vom traditionellen Swing des Jazz beflügelt. Die drei sind bestens eingespielt und bringen es fertig, den Hörer stets durch neue Wendungen zu überraschen. Dabei ist die Virtuosität auf den Instrumenten nie Selbstzweck, vielmehr versteht es die Band, mit Musik unterhaltsame und spannende Geschichten zu erzählen, die in den Ohren hängen bleiben und die Köpfe befreien und öffnen.
Alte Mauern können auch höchst Lebendiges hervorbringen, denke ich.
(Foto: copyright High Contrast, Creative Commons Attribution 3.0 Germany license)
LBT – „Levitation“
(recorded live @ Jazzclub Unterfahrt, Munich, 31.05.2016)
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