Vardo, 11. September 2016
Das Flugzeug durchquert die dicken Wolken und wir sehen unter uns ein karges, unbewohntes Land ohne Bäume, noch ein wenig grün, aber schön herbstlich gelb gefärbt. Doch beherrschend sind Felsen, Steine und das Meer. Wir haben Kirkenes erreicht, wo unser Hurtigruten-Schiff schon wartet.
Es bringt uns durch eine rauhe See nach Vardø, einem verlassen wirkenden Ort am Ende der Welt. Die Häuser sind von Sturm und Kälte arg mitgenommen. Dennoch, es gibt eine Bar, ein Hotel und Geschäfte. Das Schiff spukt den Touristenstrom aus und wir folgen wie Ameisen der Spur zu den Sehenswürdigkeiten. Die Festung Vardø mit ihren Kanonen geht auf das beginnende 14. Jahrhundert zurück und erinnert daran, dass die Menschheit in vielen Dingen, so auch in ihren Feindbildern, stehen geblieben ist: Vardøhus war als Bollwerk gegen die Russen gedacht. Da hat sich bis heute nicht viel geändert: Viele, viele Jahrhunderte lang und seit einigen Jahren wieder gelten die Russen als Feind. Die Festung war übrigens bestens getarnt: auf den Dächern wächst Gras. Aber sie wurde nie von den Russen angegriffen. Dagegen wurde dort sehr erfolgreich der Feind im Inneren bekämpft, zumindest der, den man dafür hielt: über 90 Frauen wurde hier zwischen 1621 und 1682 als Hexen verbrannt. An dieses grausame Verbrechen erinnert ein architektonisch eindrucksvolles Museum: halb Pfahlbau, halb ein auf die Seite gelegtes Schiff erscheint es bedrohlich und doch harmonisch in die Landschaft hinein gepasst. Ein verrücktes, merkwürdiges Etwas, wie es nur von Menschen hervorgebracht werden kann.
Am späten Nachmittag durchstreifen wir das Schiff. Auf dem Außendeck weht ein eiskalter Wind. Jetzt wissen wir, dass wir am nördlichsten Rand Europas angekommen sind.
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