Hammerfest, 12. Sepember 2016

Die Finmark wirkt vom Meer aus betrachtet menschenleer. Da wird eine kleine Stadt mit einer Erdgasverflüssigungsanlage und ziemlich hässlich wirkenden modernen Häusern zu einem Ereignis. Wir steigen den Zickzackweg zum Aussichtspunkt hinauf und sehen auf die Bucht und den Hafen hinunter. Es wirkt wie eine unwirkliche Legostadt. Dann gehen wir durch die Straßen, sehen das vom eiskalten Winter verwitterte Holz und einige verschleierte Mädchen, die mit ihren Eltern aus Syrien hier gestrandet sind und in einem kleinen Laden Cola kaufen. Wir haben das Gefühl, am Ende der Welt zu sein. Allerdings macht diese Stadt nicht den Eindruck, auf der Insel der Qual zu liegen, was übersetzt der Name Kvaloya heißt, sondern die Menschen sind freundlich und scheinen auch nicht feindlich gegen uns oder die Flüchtlinge zu sein. Allerdings müssten die Bewohner von Hammerfest im II. Weltkrieg großes Leid ertragen: die deutsche Armee hat bei ihrem Abzug die Stadt niedergebrannt. Als das Schiff aus der Bucht hinausfährt, kann ich mich an den rot angestrichenen Häusern nicht sattsehen: sie verleihen dieser nördlichsten Stadt der Welt, die auf derselben Höhe wie Grönland liegt, etwas Wärme und Zuversicht.

Am Nachmittag scheint die Sonne. Das Schiff fährt langsam der Küste entlang. Die Berge werden immer höher. Inseln wie große Wale tauchen aus dem Meer auf. Man kann die ganze Zeit an der Reling stehen und hinausschauen, wie sich die Welt verändert. Das geschicht langsam, in vielem nur unmerklich. Aber gerade diese Langsamkeit beruhigt. Es gibt nichts besseres, um die Hektik und gegenwärtigen Hysterie in Deutschland vergessen zu können, als langsam in einem Schiff zu fahren.

Die Landschaft an der Küste wirkt noch frei von menschlichen Einflüssen. Wir fühlen uns der Natur nahe, den geologischen Prozessen in Urzeiten, sehen eine karge, aber alle Unbill des Winters überstehende Vegetation und spüren eine Kraft und Stille, die bei uns verloren ist. Eine Welt ohne Menschen, zumindest ohne so viele Menschen ist zwar eine Illusion. Doch befreiend ist es schon, nur Berge, Wasser, Wolken und Sonne zu sehen.