Garten bedeutet Glück: „Wir haben viel gesät, was wir hinterher sehen, essen und mit gutem Wein trinken werden, wenn wir so lange leben sollten,“ schrieb 1576 der Komponist Orlando di Lasso. Goethe arbeitete oft im Gartenhaus. Die Malvenallee seines Gartens war sein größter Stolz. Ich könnte noch viel mehr Beispiele aus der Geschichte nennen. Auch jetzt, in diesem zweiten Coronajahr träumen viele Großstadtbewohner von einem Garten als Fluchtort.

Ich liebe meinen Garten. Dort zu arbeiten gibt mir Ruhe. Die Pflanzen reden ja nicht. Höchstens stört ein Motorrasenmäher die Stille. Ja, gewiss auch die Amseln und Spatzen können ziemlich laut sein. Meine Pflanzen dagegen verströmen Ruhe. Dennoch können sie sich mir mitteilen, so dass ich weiß, wie es ihnen geht. Lassen sie ihre Blätter hängen, werden diese gelb oder verlieren sie ihren Glanz, bedeutet das, dass ihnen etwas fehlt. Stehen sie dagegen voll im Saft, sind sie fett grün, dann ist alles gut.

Man muss sich viel Zeit lassen, um zu verstehen, was uns die Pflanzen sagen wollen. Sie wachsen ja langsam. Änderungen ihres Befindens kann man nur erkennen, wenn man sie viele Tage lang beobachtet. Dazu braucht man Zeit und Geduld. Pflanzen haben ein Leben in Zeitlupe.

Der Umgang mit ihnen ist deshalb eine Meditation, die von der Schnelllebigkeit unserer modernen Kultur wegführt. Wenn dann aus einer winzigen Tomatenpflanze eine große Staude geworden ist, die viele Kilos Früchte trägt, beweist das, dass auch Langsamkeit erfolgreich sein kann.

So groß das Glück der Gartenarbeit sein mag, sie ist auch ein Kampf. Unkraut wächst beharrlich und stur immer von Neuem. Schlingpflanzen können fast so reißfest wie Draht sein. Schnecken überfallen heimtückisch das Gemüsebeet. Der Garten ist keineswegs ein Idyll.

Da die Pflanzen nicht laut sind und eine große Ruhe ausstrahlen, wandern die Gedanken bei so gleichförmigen Arbeiten wie Hacken oder Pikieren von einer Frage zur andern. Die Zeit dort befreit von der Alltagsroutine und öffnet die Gedanken. Man kann sie schweifen lassen. „In einem Garten gibt es Wege, und ein verständig angelegter Garten zeigt von jedem Blickpunkt aus ein jeweils anderes, sinnvolles Bild,“ schrieb Carl Friedrich von Weizsäcker in seinem Buch „Garten des Menschlichen, Beiträge zur geschichtlichen Anthropologie“.

So geht es im Garten auch um das Menschliche. Doch manchmal versuche ich, diese menschlichen Perspektiven zu verlassen. Aus der Sicht der Pflanzen beispielsweise wird deutlich, wie unwichtig wir Menschen sind, oft auch störend. Pflanzen wird es jedenfalls auch noch geben, wenn die Menschen ausgestorben sind. Aber dann wird es kein Garten mehr sein, sondern eine Wildnis.