Bergen, 18. September 2016

Wir fahren durch den Hjetefjord nach Bergen, wo wir das Schiff verlassen. Dass vor fast eintausend Jahren hier eine Stadt gegründet wurde, ist verständlich: Sie liegt am Meer, ist aber durch den Fjord vor Stürmen geschützt, und die Berge bieten Deckung gegenüber Feinden, die vom Land kommen. Heute hat diese Stadt alles, was man sich wünschen kann: mit der Zahnradbahn kann man zum Fløyen hinauffahren und wandern, nicht weit sind Schneeberge zum Skifahren und im Hafen legen große und kleine Jachten an, auf denen viele junge Leute den sommerlichen Herbstabend bei Wein und Sekt genießen.

Wir bestaunen vom Fløyen dieses fulminante Stadtpanaroma, flanieren durch den Fischmarkt und den Hafen, um schließlich am alten Kai in einem gemütlichen Garten norwegischen Käse, Fischroggen und Sardinen zu essen und ein norwegisches Bier mit dem Geschmack von Rosmarin und anderen Kräutern zu probieren.

Das Viertel am alten Kai heißt heute Brygge, früher Tyskebrygge: nach den deutschen Untaten während des II. Weltkrieges wurde „Tyske“ verständlicherweise weggelassen. Die Holzhäuser erinnern an die alte Zeit der Hanse, die im ausgehenden 14. Jahrhundert hier einen Kontor eröffnete. Die Häuser sind viele Male niedergebrannt, wurde aber immer nach den originalen Plänen wiederaufgebaut. Wirklich „alt“ ist hier also nur die Festung mit der großen, mit Steinen erbauten Håkonshalle und dem Turm davor. Die Holzbauten der Kaufleute dagegen waren fragiler, zumindest vordergründig: denn in den Plänen, nach denen sie immer wieder aufgebaut werden konnten, lebte ein Geist weiter, der stärker ist als königliche Macht, die längst untergegangen ist.

Holzarchitektur erinnert mich an Musik, die auch – freilich noch viel mehr – vergänglich scheint, aber wenn sie wieder erklingt, gegenwärtiger und lebendiger ist als vieles, was in Stein gemeißelt wurde.